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1974
Bilder © Paramount
*** Ein Mann sieht rot
michael winner


Architekt Paul Kersey (Charles Bronson) lebt mit seiner Frau Joanna in New York. Als Joanna ermordet und die gemeinsame Tochter sexuell missbraucht wird greift Paul zur Waffe.

Selbstjustiz-Thriller kommen scheinbar nie aus der Mode. Sobald ein Unrecht geschieht, die Polizei keine Fortschritte bei der Tätersuche macht oder das Opfer nicht das Gefühl hat, dass hier mit Nachdruck an der Aufklärung des Falles gearbeitet wird, dann erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass hier das Recht in die eigenen Hände genommen wird. Diese Entwicklung verfolgen wir schon seit Jahrzehnten im Kinofilm. Ein Beitrag wird dabei als vielzitiertes Beispiel immer wieder erwähnt. Der berüchtigte Reißer von Michael Winner: "Ein Mann sieht rot" wie er in Deutschland betitelt wurde. Grundlage für diesen Film war der Roman "Death Wish" (daher auch der gleichnamige Originalfilmtitel) des Amerikaners Brian Garfield aus dem Jahre 1972. Garfields drei Jahre später veröffentlichter Rache-Thriller "Death Sentence" war Grundlage von James Wans 2007 gedrehten Films selben Titels.

Warum "Ein Mann sieht rot" vielen Jugendschützern schon damals ein Dorn im Auge war zeigt sich nicht erst in der finalen Einstellung sondern in den ersten 12 Minuten als zunächst der harmonische Urlaub von Paul und Joanna auf Hawaii geschildert wird und bald darauf als harter Kontrast das Leben seine hässlichste Fratze zeigt. Drei Männer dringen in die Wohnung der Kerseys ein, treffen dort Joanna und ihre Tochter an, schlagen beide brutal zusammen und vergehen sich an der wehrlosen Tochter aus Frust darüber, weil sich in der Wohnung nicht die erwartete Geldmenge befindet. Auch heute noch wirkt diese Szene in ihrer Darstellung äußerst gewalttätig und verstörend, weil Regisseur Winner, ähnlich wie auch Gaspar Noé in "Irreversible", bei der Greueltat nicht wegblendet und dem Zuschauer schon jetzt die Emotionen abverlangt, wie er es wenige Momente später auch von seinem Protagonisten, dem Ehemann und Vater Paul Kersey, tut.

Winner zeichnet ein düsteres Bild von New York, einer Stadt in der man nachts am besten nicht vor die Türe geht, weil man sonst riskiert seines Geldes beraubt zu werden oder um sein Leben bangen muss. Und mit Charles Bronson als stoischem Bürger, der jeden Kriminellen tötet, der ihm ans Leder will, wurde der ideale Schauspieler für diese Rolle besetzt. Bronson drehte in den 50er und 60er Jahren fast ausschließlich fürs US-Fernsehen bevor er mit "Das dreckige Dutzend" (1967) und "Spiel mir das Lied vom Tod" (1968) auch seine Kinotauglichkeit unter Beweis stellte. Fortan sah man ihn in unzähligen harten Thrillern in denen er sich nicht selten in gewalttätigen Auseinandersetzungen wiederfand. Mit dem britischen Regisseur Winner drehte er zwischen 1972 und 1985 außer "Ein Mann sieht rot" noch fünf weitere Filme, darunter auch die Fortsetzungen "Der Mann ohne Gnade - Death Wish II" (1982) und "Death Wish III - Die Rächer von New York" (1985).

Als ein Mann mit großen emotionalen Ausbrüchen ist Charles Bronson nicht bekannt und auch in seiner Paraderolle als Vigilante gibt es nur wenige Momente, die ihn als verletzlichen, geschwächten Mann zeigen. Der sich nicht bessernde Zustand seiner Tochter, die seit dem Überfall stark traumatisiert und in psychologischer Behandlung ist dient dann aber im Handlungsverlauf als Triebfeder für den Hass Kerseys auf alle kriminellen Subjekte, die wehrlose Menschen angreifen. Und ist der erste Mord erst einmal erledigt, die Hemmschwelle also überwunden, gibt es kein Halten mehr. Gezielt lenkt er nächtens die Aufmerksamkeit auf sich um eiskalt und ohne Vorwarnung seine Mission auszuführen. So ist die zweite Hälfte des Films auch weniger spannend, da die Handlung nach Schema F weitergeführt wird. Interessanter wäre es gewesen das Duell zwischen dem die Selbstjustizmorde ermittelnden Cop, gespielt von Vincent Gardenia (Mondsüchtig, Der Himmel kann warten) und Paul Kersey besser auszuarbeiten.

In kleinen Nebenrollen sind übrigens Jeff Goldblum (Jurassic Park, Die Fliege) als widerlicher Krimineller (gelistet als Freak #1) in der berüchtigten Überfallszene zu Beginn und Christoper Guest (Regisseur von z.B. "Best in Show" und "A Mighty Wind") als junger Polizist gegen Ende des Films zu sehen. Beide standen 1974 noch am Anfang ihrer Karrieren. Für den Soundtrack konnte man keinen geringeren engagieren als Jazz-Legende Herbie Hancock. Produziert wurde der Film vom kürzlich verstorbenen Dino De Laurentiis.

DVD (Paramount, RC2, PAL, 93 min)

Die britische DVD bietet den Film in anamorphem 1.78:1-Format und ordentlicher Bildqualität. Der Ton liegt nur in englischer Sprache vor (Mono). Dafür gibt es eine Vielzahl an Untertiteln (z.B. englisch). Kein Bonusmaterial. Beim DVD-Cover hat sich der Graphiker aber ein bösen Schnitzer erlaubt. Bronson tötet nämlich mit einer altmodischen Knarre und nicht mit einer modernen Schnellfeuerwaffe.

Ein kühl-nüchterner, moralisch fragwürdiger Selbstjustizthriller, der zahlreiche Nachahmer fand und oft als Referenzstreifen für diese Thematik genannt wird. Charles Bronson zeigt Leinwandpräsenz als schießfreudiger, reueloser, kalkuliert vorgehender Witwer eines im Verbrechen versinkenden New Yorks.


Text © Markus Klingbeil
VÖ: 29.11.2010

Ein Mann sieht rot

(Death Wish)

USA 1974. Farbe. Originalsprache: Englisch. Länge: 93 Min. Bildverhältnis: 1.78:1 Kinostart: 24.07.1974 (US) 01.11.1974 (D). Budget: n/a Mio. USD Einspiel: n/a Mio. USD (USA) Regie: Michael Winner. Romanvorlage: Brian Garfield. Screenplay: Wendell Mayes. Kamera: Arthur J. Ornitz. Schnitt: Bernard Gribble. Musik: Herbie Hancock Darsteller: Charles Bronson, Hope Lange, Vincent Gardenia, Steven Keats, William Redfield, Stuart Margolin, Jeff Goldblum, Christopher Guest.
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© Layout, Text: Markus Klingbeil, Bilder: Filmverleih